Die Spiralgalaxie NGC 772
Doppelt so groß wie unsere Milchstraße und mit einem wechselwirkenden Begleiter lädt diese Spirale im Widder zum Erforschen mit dem Teleskop ein.
Am Herbsthimmel findet man westlich des markanten Sternbildes Pegasus (dem Herbstviereck) das kleine Sternbild Widder (Aries). Die helleren Sterne α (Hamal), β (Sheratan) sind 6° voneinander entfernt und bilden zusammen mit dem schwächeren Doppelstern γ (Mesarthim) eine gebogene Linie. Zwischen 2000 v. Chr. und 100 v. Chr. markierte Hamal den Punkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche. Dieser sogenannte "Widderpunkt" ist mittlerweile durch die Präzessionsbewegung der Erdachse in das Sternbild Fische weitergewandert. Der Widder ist auch eines der zwölf Sternbilder des antiken Tierkreises, welches durch die nahe Ekliptik immer wieder von Objekten des Sonnensystems besucht wird. Das Sternbild enthält zwar keine Messier-Objekte, aber eine kleine Anzahl von interessanten Deep-Sky-Objekten. Eines davon ist die Spiralgalaxie NGC 772.
Apostroph-Form
NGC 772 wurde am 29. November 1785 vom deutsch-englischen Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt. Ihre Entfernung beträgt rund 115 Millionen Lichtjahre bei einer scheinbaren Helligkeit von 10,m3. Sie hat einen Durchmesser von etwa 240.000 Lichtjahren und erscheint uns mit einer Winkelausdehung von rund 7,4'×4,9' am Himmel. Damit ist diese Galaxie fast doppelt so groß wie unsere Milchstraße.
Die Grundform der Galaxie ist oval. Sie enthält jedoch einen dominierenden Spiralarm mit hellen Sternentstehungsgebieten, welcher sich durch Wechselwirkungen mit der hellsten Begleitgalaxie NGC 770 verformt und dem Gesamtanblick eine Apostroph-Form verleiht. NGC 770 wurde am 3. November 1855 von Lord Rosses Assistenten R. J. Mitchell mit dem Leviathan-Teleskop entdeckt und steht in einem Abstand von 3,5' bzw. 108.000 Lichtjahren zu NGC 772. Beide Galaxien sind zusammen im "Atlas of Peculiar Galaxies" (Atlas sonderbarer Galaxien) mit der Nummer Arp 78 verzeichnet.
Dominierender Spiralarm
Zum Aufsuchen von NGC 772 peilt man am besten den Stern γ Ari an, der nur etwa 2,8° östlich von der Galaxie entfernt steht. Da die Helligkeit von NGC 772 in etwa mit den schwächsten Messier-Galaxien (M 91/M 98) verglichen werden kann, handelt es sich um kein einfaches Beobachtungsobjekt für kleine Ferngläser. Besser ist ein Teleskop mit mindestens 10cm Öffnung. Dann zeigt sich die Galaxie bereits als ovaler Nebelfleck mit asymmetrischer (irregulärer) Form. Teleskope ab 20cm Öffnung und 120-facher Vergrößerung zeigen das asymmetrische Galaxienzentrum. Das Zentrum erscheint klein, hell und fast stellar.
An der Nord-West-Seite des Halos ist der Ansatz des dominierenden Spiralarms zu erkennen und bei indirektem Sehen kann die südlich liegende Begleitgalaxie NGC 770 erahnt werden. Noch größere Teleskope ab 40cm Öffnung lassen den Spiralarm in mehrere Bruchstücke zerfallen.
Autor: Michael Feiler / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH